Sollte Ihnen angesichts der Überschrift ein irritiertes Wie bitte? entfahren, möchten wir einräumen, dass uns bekannt ist, dass für die termingebundenen Arbeiten zur Erstellung des Jahresabschlusses eher Zahlen und Fakten Priorität haben, anstatt spielerisches Brainstorming. Wir erklären, wie beides trotzdem zusammenpasst.

Die Finanzaufsicht BaFin hat für die Bilanzkontrolle 2024 angekündigt, schwerpunktmäßig zu prüfen, wie Unternehmen ihre Geschäftsmodelle und Steuerungssysteme im zukunftsorientierten Lagebericht darstellen, und zwar vor dem Hintergrund der Chancen und Risiken, die maßgeblich in Zukunft die Geschäftstätigkeit bestimmen werden. Warum diese Aufgabe nicht mittels eines Strategiespiels lösen? Wir möchten in diesem Beitrag die Spieltheorie betrachten, hierbei das Kombiwort Coopetition analysieren und was sich von Fußball- und Gesellschaftsspielen lernen lässt.

Warum der Konzernlagebericht zukunftsorientiert sein muss

Im Oktober 2023 hatte die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) für alle europäischen Enforcer die Prüfungsschwerpunkte festgelegt, die auch die BaFin beachten muss. Diese beinhalten, dass im (Konzern-)Lagebericht auch die Auswirkungen von Klima- und Umweltaspekten sowie das makroökonomische Umfeld berücksichtigt werden müssen. Die Finanzaufsicht BaFin wird demnach in den Konzernabschlüssen 2023 schwerpunktmäßig prüfen, wie die Unternehmen ihre Geschäftsmodelle und Steuerungssysteme im Lagebericht darstellen (hier besprochen: BaFin konkretisiert Prüfungsschwerpunkte der ESMA, 14.12.2023, haufe.de).

Ein zukunftsorientierter (Konzern-)Lagebericht zeichnet sich durch die Fähigkeit aus, potenzielle Entwicklungen und Herausforderungen vorherzusehen. Dies erfordert nicht nur eine Analyse vergangener Leistungen, sondern auch die Integration von innovativen Ansätzen, um sich auf anstehende Veränderungen vorzubereiten. Hier bietet die Spieltheorie wertvolle Ansätze, indem sie es Unternehmen ermöglicht, verschiedene Szenarien und ihre Auswirkungen zu analysieren, wie zum Beispiel verschiedene Akteure (Wettbewerber, Kunden und Lieferanten) auf bestimmte Entscheidungen reagieren, wie ihre Handlungen in einem komplexen Umfeld aufgenommen werden und welche Konsequenzen sich daraus ergeben könnten.

In einer digitalisierten, vernetzen Wirtschaftswelt gewinnt dabei der Begriff Coopetition (abgeleitet aus englischen Begriffen Cooperation und Competition und eingeführt 1996 in die Strategie-Diskussion durch die Spieltheoretiker Adam Brandenburger und Barry Nalebuff) an Bedeutung. Coopetition beschreibt die gleichzeitige Zusammenarbeit und Konkurrenz zwischen Unternehmen. Dazu gehört die Beschreibung, wie Unternehmen mit anderen Akteuren ihrer Branche kooperieren, um gemeinsame Herausforderungen zu bewältigen. Die Förderung von Coopetition kann zu einer höheren Resilienz gegenüber externen Einflüssen führen und die Innovationskraft stärken.

Fußball- und Brettspiele machen es vor

Zu theoretisch? Ziehen wir als erstes Beispiel ein Fußballspiel heran: Wenn zwei Fußballteams gegeneinander spielen, dann haben sie – jedes für sich betrachtet – den Sieg als Ziel. Daneben müssen beide Teams gemeinsam ein Spiel veranstalten, das attraktiv für die Zuschauer und damit der Vermarktbarkeit der Liga dient. Ein Fußballspiel ist also ein Co-Produkt zweier Teams. Der wettbewerbliche Charakter hierin liegt in Punkten, Platzierungen, Abstieg sowie dem Kampf um den Meisterschaftstitel. Alle Clubs der Liga stellen im kooperativen Sinne gemeinsame Spiele bereit und tragen hierbei zur Vermarktungsfähigkeit bei (hier gelesen: Was der Fußball von Spieltheoretikern und Gesellschaftsspielen lernen sollte, Marcus Schreiber, 05.05.2023).

Als zweites Beispiel haben wir das Spiel des Jahres 2023 mit dem schönen Namen Dorfromantik des Spielherstellers Pegasus aufgegriffen. Auch dieses bietet eine interessante Perspektive, um den Begriff Coopetition zu erklären. In Dorfromantik erschaffen die Spieler gemeinsam eine ländliche Landschaft, indem sie Kacheln mit verschiedenen Landschaftselementen kombinieren, um Dörfer zu bilden. Der Begriff Coopetition lässt sich hier auf verschiedene Weisen im Spielkonzept anwenden: Die Spieler arbeiten gemeinsam daran, eine ästhetisch ansprechende und gut strukturierte dörfliche Landschaft zu schaffen. Gleichzeitig versucht aber jeder einzelne Spieler, für sich so viele Punkte wie möglich zu sammeln. Obwohl das Gemeinschaftsziel die Erschaffung einer idyllischen Landschaft ist, gibt es dennoch einen Wettbewerb um die individuell erzielten Punkte. Jeder Spieler ist somit sowohl Kooperationspartner als auch Konkurrent.

Ausblick

Frühzeitige Strategien und die Förderung von Coopetition bieten Unternehmen die Möglichkeit, nicht nur auf Veränderungen schneller reagieren, sondern diese aktiv mitgestalten zu können. Die Schaffung von Plattformen und wirtschaftlichen Landschaften können trotz des Wettbewerbs das gemeinsame Ziel wirtschaftliche Stabilität und Innovation ausmachen. Wer die eigene Unterlegenheit in bestimmten Bereichen erkennt, kann in gemeinsamen Projekten von den Erfahrungen der Konkurrenten profitieren. Zumindest dann, wenn dies auf Basis von Transparenz und fairen Spielregeln erfolgt.

Der Lagebericht als Bestandteil des Jahresabschlusses dient neben der Dokumentation vergangener Erfolge auch dem Aufzeigen innovativer Ansätze und welche Vorbereitungen zu treffen sind, um die unternehmerischen Ziele im Folgejahr zu erreichen – auch vor dem Hintergrund von Klima- und Umweltaspekten. Diese Szenarien sind zu erarbeiten und im Lagebericht so zum Ausdruck zu bringen, dass sie auch Dritten verständlich werden.

Worauf also noch warten? Let’s play!

 

Wie ein Jahresabschluss für Kreditgenossenschaften von A bis Z aufgebaut sein muss und was Sie beachten sollten, lesen Sie hier.

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Ein Gastbeitrag von Sabine Birli, DG Nexolution

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