Rückte die Buy-Now-Pay-Later-Option (BNPL) von Zahlungsanbietern diese bereits in den Verdacht, ihre Klientel mit Kreditraten in die Schuldenfalle locken zu wollen, rüstet der schwedische Payment-Anbieter Klarna seine App mit einer neuen Funktion für den ungebremsten Kaufrausch aus: der Shopping-Lense.

Die mit künstlicher Intelligenz (KI) gestützte Fotoerkennung sorgt für einen neuen Speed beim Shopping: Einfach das begehrte Produkt, egal ob im Schaufenster gesehen oder im Web-Shop gefunden, fotografieren und sofort erscheint dazu das passende Angebot eines an das Klarna-Ökosystem angedockten Händlers. Schnappt mit dieser Snapshot-Funktion am Ende die Schuldenfalle noch schneller zu?

What you see is what you get, instantly!

Mit der KI-gestützten Shopping-Lense erreicht Klarna eine neue Dimension des Shoppens, um in Sekundenschnelle VerbraucherInnen ohne lange Bedenkzeiten zum Kaufabschluss zu bringen. Fehlten bereits bei der BNPL-Option die herkömmlichen Kontrollmechanismen für diese Minikredite – wie beispielsweise eine Kreditwürdigkeitsprüfung – wird die Fotoerkennungsfunktion auch für diejenigen zugänglich sein, die sich traditionell nicht für einen Kredit qualifizieren würden.

Zudem kann Klarna mit den gewonnenen Kaufdaten ein ausgeklügeltes Profiling ihrer KundInnen betreiben und zudem die an das Payment-Ökosystem angedockten Händler in die Lage versetzen, unter dem Deckmantel von preisgünstigeren Product-Replacements deren eigene Produkte zu pushen. Ob fashion-bewusste VerbraucherInnen sich jedoch davon überzeugen lassen, auf ein alternatives Produkt umzusteigen? So könnte beispielsweise eine Frage lauten:

Manolo Blahnik oder lieber ein Replacement von …?

„No Way!“, hätte Carrie Bradshaw, Protagonistin der in den 1990er-Jahren zu Kultstatus avancierten US-amerikanischen Serie „Sex and the City“, vermutlich ausgerufen, wäre ihr nach dem Snapshot des begehrten Produkts eine Shopping-Alternative angeboten worden. Sollten Sie sich jetzt fragen: Manolo wer? Manolo Blahnik ist eine Designer-Schuhmarke und steht für sehr hohe, sehr teure (und sehr, sehr schicke! Anmerkung der Red.) Pumps und war die bevorzugte Fashionmarke der Schuhfetischistin Carrie Bradshaw (alias Sarah Jessica Parker). Diese wäre wohl eher bis ans andere Ende von Manhattan gestöckelt, nur um das neueste Original-Modell zu ergattern. Es bleibt demnach abzuwarten, ob sich Klarna-KundInnen mit Ersatzprodukten aus dem Klarna-Händlernetz zufriedengeben werden.

Klarna strebt mit der neuen Lense-Funktion noch mehr Kontrolle und Wissen um ihre Kunden an (welche Marken sie bevorzugen, ob sie Vegetarier sind, wohin sie gerne reisen), um so gezielte Angebote platzieren und mehr Kaufanreize bieten zu können (zum Beitrag: Klarna launcht neue KI-Produkte für personalisiertes Shopping-Erlebnis, Klarna.com, 11.10.2023).

EU-Verbraucherkreditrichtline auf dem Vormarsch

Nach langer Kritik, ob es wirklich intelligent ist, VerbraucherInnen dazu zu bringen, ihre finanziellen Mittel zu übersteigen (auf diese Gefahren hatte u. a. die Schufa bereits seit Längerem hingewiesen, hier gelesen am 02.11.2023: Gefahr „Buy Now Pay Later“ – Wie Minikredite zur Schuldenfalle werden und was dagegen hilft, Schufa.de), hat der Rat der EU eine EU-Verbraucherkreditrichtlinie gebilligt, die auch digitale Bezahlmethoden umfasst (hier gelesen: Mehr Sicherheit bei Kreditanträgen in der EU: Rat billigt Verbraucherkreditrichtlinie, Pressemitteilung Rat der EU, 09.10.2023). Danach sollen erstmals auch Minikredite unter 200,00 €, die z. B. über die BNPL-Option aufgenommen werden, einer Bonitätsprüfung unterzogen werden. Die Richtlinie bedarf allerdings der Umsetzung in nationales Recht durch die Mitgliedsstaaten. Somit hat die Bundesregierung zwei Jahre Zeit, ein entsprechendes Gesetz durch Bundestag und Bundesrat zu bringen.

Financial Education mit KI?

Wäre es nicht wünschenswert, wenn hier zukünftig der oft verschriene KI-Algorithmus als eine Art fürsorglicher Shopping-Coach auftreten könnte? Diese Funktion könnte beispielsweise die persönlichen Einkäufe und Ausgaben überwachen. Nach einem Lense-Snapshot würde die Meldung in der App auftauchen: Hey, so ein Shirt hast Du bereits vor 3 Wochen gekauft. Und: Schau auf Deinen aktuellen Kontostand. Dieser Monat ist bereits finanziell ausgereizt. Oder: Diese Schuhe wurden nicht nachhaltig hergestellt. Schau lieber hier nach. Es gäbe viele Ideen, dafür zu sorgen, dass VerbraucherInnen sorgfältiger mit dem ihnen zur Verfügung stehenden Geld umzugehen lernen und somit nicht blindlinks in die Schuldenfalle tappen. Wenn Shopping-Apps mit KI auf diese Weise für eine Financial Education sorgen, wäre das the modern way of shopping, und zwar nachhaltig für alle Beteiligten.

 

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Über den neuen Ansatz der BaFin bei der siebten MaRisk-Novelle in Bezug auf das Kreditgeschäft im Modul BTO 1 informiert Manfred Bitterwolf, Projektleiter und Dozent beim Baden-Württembergischen Genossenschaftsverband e.V. (BWGV), in seinem Beitrag in der BankInformation.

 

Ein Gastbeitrag von Sabine Birli, DG Nexolution

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