Die Autoren Günter Althaus und Wolfgang Pachali im Gespräch mit DG Nexolution

Nur wenige Kreditgenossenschaften und Verbundgruppen beschäftigen sich in der notwendigen Intensität mit der Entwicklung und Evaluierung eines nachhaltig tragfähigen Zukunftskonzeptes, so die Erfahrung der beiden Autoren. Bereiten wir uns zu wenig auf die Herausforderungen der Zukunft vor?

Die Autoren kennen wie kaum ein anderer den Handlungsbedarf der Genossenschaften sowie der Verbundgruppen. Sie sind bekannt für ihre streitbaren Thesen zur Entwicklung von Unternehmen im Zeitalter der tiefgreifenden Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft. Sie rütteln wach, sie machen Mut.

Die Autoren sprechen mit DG Nexolution über Ihr neues Werk „EVOLVE Management“.

Herr Althaus, bereiten wir uns zu wenig auf die Herausforderungen der Zukunft vor?

Althaus: Wirtschaft und Gesellschaft sind im Umbruch. In einem Umbruch dessen Tempo und Tragweite viele von uns überfordert. Die Gleichzeitigkeit von Pandemie, Krieg, Inflation, Zinswende, Rezession, und Deglobalisierung mit der Folge von Unübersichtlichkeit und Unplanbarkeit macht Angst und versetzt einige von uns in Schockstarre. Mit EVOLVE Management wollen wir die unterstützen, die trotz aller Widerstände und Hindernisse handeln und Verantwortung übernehmen. Unser Interviewpartner, Markus Dauber hat es im Buch treffend formuliert: „Wer VerANTWORTung trägt, muss ANTWORTEN liefern!“

Man kennt sie als streitlustigen Vordenker, als jemanden, der auch mal Herausforderungen überzeichnet. Auch in ihrem neuesten Buch finden sich eine Reihe von provokativen Positionen?

Pachali: Wir haben als Untertitel des Buches „Unlearning, Rethinking, Newworking – in Zeiten radikaler Veränderungen“ gewählt, um damit sichtbar zu machen, um was es uns im Kern geht: Wir wollen Entschlossenheit fördern, zum Handeln anregen. Ja, wir nutzen auch das Stilmittel der Überzeichnung und Provokation, um auf- und wachzurütteln. Zukunft beginnt nicht mit der Einführung des Neuen, sondern mit dem Abschied vom Alten – und Abschied nehmen fällt vielen schwer.Die Autoren Günter Althaus und Wolfgang Pachali

Sie nennen ihr Buch ein Workbook, ein Buch eher für den „Nachtisch“ als für den Schreibtisch…

Pachali: Der Alltag vieler Unternehmer ist geprägt von der Bewältigung der dringlichen Aufgaben, die wichtigen Themen, die langfristigen und strukturellen Fragen werden dann eher in der Zeit „nach Dienstschluss“ behandelt. Workbook, weil das Buch nicht nur gelesen werden soll. Der Leser findet Fragen und die Möglichkeit seine Gedanken unmittelbar im Buch aufzuschreiben.

Mit modernen, derzeit häufig empfohlenen, Managementansätzen wie New Work, Holocracy, Agilität gehen Sie eher kritisch um …

Althaus: Auf Management-Buzzwords reagiere ich grundsätzlich sehr distanziert. Sie zeichnen gerne schwarz/weiß, sie führen uns gerne zu Entweder-oder-Entscheidungen. Ich bevorzuge eher „Sowohl-Als-Auch-Lösungen, sehe die größeren Umsetzungschancen in hybriden Modellen. Wir sprechen auch nicht von „change“, sondern von „evolve“: verändern reicht nicht, es geht um „sich-weiterentwickeln“.

Beidhändigkeit ist gefordert: Wir müssen Bestehendes optimieren, die Effektivität steigern, Routinen nutzen, um eine möglichst weitgehende Fehlerlosigkeit zu realisieren und wir müssen gleichzeitig Bestehendes infrage stellen, radikal neue Geschäftsmodelle entwickeln und maximale Fehlertoleranz entwickeln um (Un)Mögliches/(Un)Vorstellbares zum Durchbruch zu verhelfen. Geschmeidig anpassen und radikal erneuern – Hand in Hand!

Besonders intensiv beschäftigen sie sich mit den Themen Timing und Kommunikation. Warum ist beides so wichtig?

Pachali: Ein Kernsatz im Buch lautet „Das Bessere ist der Feind des Guten“. Der Satz stammt von dem streitlustigen Voltaire. In vielen Unternehmen versanden Entwicklungsprojekte, bevor sie ihre eigentliche Stärke entwickeln können. Bremser und Warner stehen den Innovatoren kraftvoll und entschlossen gegenüber. Meist sind sie nicht sehr lautstark, sondern agieren im Hintergrund. Subversiv, unauffällig lassen sie Blockaden wachsen und beschreiben Hindernisse als unüberwindbar.

Diesen Widerstand aufzulockern und letztlich zu überwinden, benötigt Zeit. Geduld und Disziplin ist gefordert. Markus Dauber schreibt in unserem Buch: „Agile Organisationen entstehen aber nicht durch Anweisungen und Belehrungen, sondern nur durch Inspiration und Sinnvermittlung“. Frau Dr. Zimmermann fügt hinzu: „Wenn unternehmerisches Entscheiden und Handeln gefordert ist, ohne zu wissen, welches Ergebnis durch das Handeln eintritt, wird Führung zur maßgeblichen Fähigkeit der Unternehmensführung“.

Ein Lösungsansatz in ihrem Buch ist die Re-Organisation: die Trennung von Markteinheiten und Wertschöpfungsplattformen, was genau ist damit gemeint?

Althaus: Benötigt wird ein komplett neuer Organisationsansatz. Markus Dauber fordert im Buch: „Wir müssen Hierarchien und einengende Kästchen abbauen, dafür die Türen öffnen für ein Mehr an Selbstverantwortung und Selbstorganisation“.

Markteinheiten sind die Teile des Unternehmens, die unmittelbar im Kontakt mit den Kunden stehen, die Kunden der Wertschöpfungsplattformen sind die Markteinheiten. Eine grundlegende Neu-Organisation ist die Voraussetzung dafür, dass wir nachhaltig schneller, besser und kundenorientierter werden können.

Ein Kapitel widmen Sie speziell den Genossenschaften …

Althaus: Ja, das ist uns eine Herzensangelegenheit. Für die einen sind Genossenschaften verstaubt und nicht mehr zeitgemäß – für andere wiederum sind Selbstorganisation, Selbstverwaltung und Hilfe zur Selbsthilfe das Lebenselixier moderner Unternehmen.

Aus unserer Sicht kann ein traditionsreicher Wertekompass beim Aufbruch zu „New Work“ als Orientierungshilfe dienen: agil sein, durch ein mehr an Eigenverantwortung, Schneller werden, durch Selbstorganisation, besser werden durch Hilfe zur Selbsthilfe. „New Work“ baut auf kleine überschaubare Einheiten auf, es empfiehlt, den „Könnern“ Vertrauen zu schenken, unabhängig von deren hierarchischen Position.

Goethe würde sagen: „Alles Gescheite ist schon gedacht worden, man muss nur versuchen, es noch einmal zu denken.“

In ihrem Prolog zitieren Sie Machiavelli mit dem Satz: „Tust Du Gutes, tu es langsam. Tust Du Böses, tu es auf einmal“…

Pachali: Weil die größte Gefahr in Unternehmen vom Gewohnten und Gewöhnlichen, dem Etablierten und Bequemen ausgeht. Zukunft beginnt nicht mit der Einführung des Neuen, sondern mit dem Abschied vom Alten. Das nennen wir „produktive (Zer)störung. (Zer)Störung, die stört, aber nicht „kaputtmacht“. (Zer)Störung, die den Mut zum Aufbruch und die Kraft sich von Hindernissen nicht abhalten zu lassen, entstehen lässt.

 

Lieber Herr Althaus, lieber Herr Pachali, vielen Dank für das Interview!

Share: